Die Post-Nomadische Erfahrung 
Natur – Kunst – Nachhaltigkeit – Gender Relations – Metaphysik 

Ein Projekt des ZEIGENeV im Rahmen von 50 Jahren diplomatischer Beziehungen zwischen der Mongolei und Deutschland

 

17. Juni – 7. Oktober 2024

Die Mongolei ist mit 3,3 Mio. Einwohner*innen und durchschnittlich 2 Personen pro qkm ein Binnenland mit nur zwei Nachbarn, Russland und China. Deutschland war schon während der Kaiserzeit und auch während der DDR-Zeit in der Mongolei präsent. In der Folge sprechen noch heute etwa 10 % der Mongolen deutsch. Deutschland wird in der Mongolei als „dritter Nachbar“ angesehen.

Historisch durch Nomadentum geprägt, erreichte die Mongolei um 1200 herum unter Ghinggis Khaan ihre größte Ausbreitung vom Kaspischen Meer im Westen und dem Chinesischen Meer im Osten. Dieser Vielvölkerstaat war durch religiöse Vielfalt geprägt. Zum Ende des 12. Jhdt. entstand das Buch „Die Geheime Geschichte der Mongolen“, das bis heute identitätsstiftend wirkt. 

Wenig ist wirklich bekannt in Deutschland über die Kultur der Mongolei und ihrer Erfahrungsgehalte, die sich in Kunst, Musik, Film, Literatur und Gastfreundschaft ausdrücken.

Viele der heute in der Mongolei lebenden Künstler*innen leben in den Städten, sprechen Englisch, können sich aber dennoch an nomadisches Leben erinnern. Vielfach wuchsen sie noch bei ihren nomadisch lebenden Großeltern auf, während die Eltern schon in der Stadt lebten.

Teil dieser Erinnerung ist die “Natur-Ethik” der Nomaden, nach der in den Steppen nicht einmal ein Stein aufgehoben werden darf, ohne vorher um Erlaubnis gebeten zu haben. Wie sehr anders ist diese Ehrfurcht im Umgang mit “natürlichen Resourcen”, als unsere unbedenkliche Aneignung aller verfügbar gemachten Naturgüter. Dass ein Umdenken im Westen stattfinden muss und in Teilen schon beginnt, macht dieses Projekt so wertvoll.

Wie kann die Mongolei in der Moderne ankommen, ohne die Fehler des Westens wiederholen zu müssen? Dazu ist es nötig, dass wir im Westen wieder mehr Ehrfurcht vor der Natur und allem Leben darin lernen.

 

Art Camp Bavaria
Vom 17. Juni bis zum 7. Juli treffen sich Künstler*innen aus Deutschland und der Mongolei im ländlichen Raum Bayerns in einer alten Wassermühle in Mürsbach zur gemeinsamen Arbeit an Werken und Ideen in Hinsicht auf Naturbezug und Nachhaltigkeit vor den jeweiligen kulturellen und metaphysischen Hintergründen, die in beiden Ländern bis heute die Lebensrealitäten und sozialen Gefüge prägen. 

 

Ausstellung : Die Post-Nomadische Erfahrung in THEgallery
Die Ausstellung eröffnet am 6. Juli und vermittelt an Hand ausgewählter Kunstwerke zentrale Inhalte des Naturverständnis der nomadischen Kultur der Mongolei.
Im Zentrum steht dabei „Der große blaue Himmel“ – ein identitätsstiftendes Element mongolischer Kultur bis heute, das sich auf das Prinzip eines gestaltlosen Himmelsgottes im Tengrismus bezieht.
Sichtbar wird dieses Prinzip in bronzezeitlichen Felszeichnungen im Altaigebirge, die die Kräfte der Natur in schamanischen Zeichen präsentieren. Dem gegenüber stehen in der Ausstellung die Kosmologien von A.R. Penck, die eine post-kommunistisch zerfasernde Welt in Zeichensysteme übersetzt. Anstatt wie bisher die Materialästhetik von Joseph Beuys mit dem mongolischen Schamanismus zu kontextualisieren, fokussiert die Ausstellung auf die Wirkkräfte der Natur im visuellen Gedächtnis der Mongolei, die mit den Auswirkungen der Moderne in Widerstreit geraten.
Weitere Einflüsse auf die zeitgenössische Kunst der Mongolei speisen sich aus dem Lamaismus, der bis heute bildmächtig ist. Der Kunstrichtung „Mongol Zurag“ ist gerade auf der Biennale di Venezia eine Sonderausstellung gewidmet, an der Baatarzorig Batjargal und Gerelkhuu Ganbold beteiligt sind. Beiden Künstlern dienen die Dämonen des Mongol Zurag, wie sie auch auf lamaistischen Thangkhas zu sehen sind, um ihre Kritik an den gegenwärtigen gesellschaftlichen und ökologischen Katastrophen der Mongolei zu formulieren. Auch der in Nürnberg lebende Dashdemed Sampil bezieht Energien aus dieser Tradition.
Franz Ackermanns künstlerische Praxis ist von Anfang an nomadisch gewesen. Seine Mental Maps entstehen als visuelle Aufzeichnungen und Bezeugungen einer beschleunigten Welt, die auch vor der Mongolei nicht Halt macht. Die bunt verzierten „Gasmasken“ von Nomin Bold sprechen von den unerträglichen Luftverhältnissen in Ulaanbaatar, den schlechtesten auf der ganzen Welt.
 

Künstler*innen:
Franz Ackermann, Heike Baranowsky, Baatarzorig Batjargal, Munkhtsetseg Batmunkh, Nomin Bold, Enkhzaya Erdenebileg, Gerelkhuu Ganbold, Karl Heinz Jeron, Simone Körner, A.R. Penck, Nadine Rennert, Dashdemed Sampil
Musik: Chinbat Orkhonbaatar, Tanz: Tsatral Tumendemberel

Gefördert von der Bayerischen Staatskanzlei und der Oberfrankenstiftung.

 

Art Camp Mongolia
Vom 25. Juli bis zum 11. August treffen sich Künstler*innen aus Deutschland und der Mongolei in der Steppe der Bulgan Provinz in der Nähe einer Nomadensiedlung. Ohne Strom, Wasser oder Internet leben alle gemeinsam in Jurten und den großen blauen Himmel in der Nähe eines nomadischen Dorfes auf der halben Strecke zwischen Ulaanbaatar und Kharakorum.
Die intensive gemeinsame Naturerfahrung steht im Kontrast zur üblichen Bewegungsform der Künstler als urbanen Individual-Nomaden. Während der Zeit werden historische, archäologische und auch heilige Berge in der mongolischen Steppe besucht.
Das Art Camp Mongolia wird organisiert mit dem Blue Sun Center of Contemporary Art of Mongolia.Gefördert durch das Auswärtige Amt.

 

Ausstellung Zanabazar Museum, Ulaanbaatar
Die Ausstellung im Zanabazar Museum bildet den Abschluss von zwei Art Camps und bringt die gesammelten Erfahrungen des deutsch-mongolischen Sommers 2024 zusammen. Erfahrungen in der bayerischen Kulturlandschaft und der mongolischen Steppe kontrastieren mit modernem Jet-Set-Nomadentum und den Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels. Die Ausstellung untersucht, ob in den jeweiligen kulturellen Gehalten der unterschiedlichen Kulturen Resilienzen aufzufinden sind, die für einen veränderten Umgang mit Ressourcen aktiviert werden können.
Das Zanabazar Museum ist der ideale Ort. Die Sammlung spannt einen weiten Bogen von bronzezeitlichen, schamanisch-tengrischen Artefakten über lamaistische Ritualmasken und Thangkhas zu modernen Mongol Zurag–Gemälden. Der Namensgeber Öndör Geegen Zanabazar, 1635 – 1523, war der erste spirituelle Anführer des Gelupa Buddhismus in der Mongolei und der wichtigste Künstler, Architekt, Poet und Gelehrter seiner Zeit.

Künstler*innen:
Franz Ackermann, Heike Baranowsky, Baatarzorig Batjargal, Munkhtsetseg Batmunkh, Nomin Bold, Enkhzaya Erdenebileg, Gerelkhuu Ganbold, Karl Heinz Jeron, Simone Körner, A.R. Penck, Nadine Rennert, Tuguldur Yondonjamts, Munguntsetseg Lkhagvasuren, Dalkh-Ochir Yondonjunai, Badam Dashdondog und weitere Künstler*innen des Blue Sun Center of Contemporary Art of Mongolia.

Gefördert durch das Auswärtige Amt.

 

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